Quartiersentwicklung im Nürnberger Tucher-Areal

Das ehemalige Betriebsgelände einer traditionsreichen Brauerei bot in Nürnberg Gelegenheit für eine innerstädtische Quartiersentwicklung. Als Ergebnis entstanden unter anderem fünf Wohnkarrees mit durchgängigen Details und einer partiellen Bestandsintegrierung, die sowohl städtebaulich als auch architektonisch das Areal nun weithin repräsentieren.

Fläche und städtebauliche Situation

In fußläufiger Nähe zur Altstadt und wenige Schritte vom Stadtpark entfernt liegt in der Nürnberger Nordstadt ein Areal, das einst die Tucher Brauerei für ihre Produktion nutzte. Knapp 40.000 m2 umfasst das Gelände, auf dem seit 2011 ein neues Wohnquartier entstanden ist, die “Nordstadtgärten”. Den Neubauten mit teilweise integriertem Bestand war im Jahr 2010 ein Architekturwettbewerb vorangegangen. Als Gewinner konnten die Münchner Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht in Zusammenarbeit mit Steidle Architekten das städtebauliche Konzept erarbeiten und Erstgenannte den architektonischen Charakter für Teile des Ensembles definieren. Entstanden sind fünf verschiedene Wohnkarrees, die auf Grundlage des vorhandenen Bebauungsplans zu den vorhandenen Straßenzügen eine geschlossene Randbebauung darstellen und sich jeweils ins Quartiersinnere öffnen. Die Blockform fügt sich in die Bauweise des umliegenden Wohngebiets ein, das von Zeilenbauten der 1950er-Jahre geprägt ist. Gleichzeitig bilden die bis zu 7-geschossigen Wohnhäuser eine neue Zeitschicht innerhalb des urbanen Kontextes.

Städte im Wandel: Nürnberg, Foto: Boris Storz
Städte im Wandel: Nürnberg, Foto: Boris Storz
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Planerische Details

Ein prägendes planerisches Element, das die Architekten innerhalb der klassischen Blockstruktur integrierten, ist das Prinzip des Bauwichs. Dabei handelt es sich um eine enge Abstandsfläche zwischen den Schmalseiten einzelner Gebäude, die ermöglicht wird durch die Übereckbelichtung wichtiger Räume in den Wohnungen. Nur Räume ohne dauernden Aufenthalt sind direkt über den Bauwich belichtet. Insgesamt staffeln sich die geschlossenen Blocks an den  Hauptstraßenseiten, über schmale Gebäudezwischenräume an den westlichen und östlichen Flanken bis hin zu einer Öffnung der Innenhöfe nach Süden und damit zu den halböffentlichen Flächen innerhalb des Areals. Die kleinere Parzellierung hat den Vorteil, eine Vielfalt an Wohnsituationen schaffen und individuelle “Adressen” bilden zu können. In der Folge sind die einzelnen Blöcke und Bauabschnitte von jeweils eigenen Identitäten geprägt, diese haben jedoch auch zahlreiche Details gemeinsam.

Foto: Boris Storz
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Gestaltungsmerkmale

Die Gebäude sind durch helle Putzfassaden und großzügige Fensterflächen geprägt. Unterschiedlich tief ausgeführte Balkone oder Loggien vermitteln den Bezug zwischen den Privatwohnungen und dem Außenraum. Teile des Sockelbereichs, der Eingänge, der Verbindungsbauten im Bereich der Bauwiche oder der Innenhofelemente sind mit Klinker in unterschiedlicher Art und Dichte bekleidet; auf diese Weise wird ein eindeutiger Bezug zu den historischen Bestandsbauten auf dem Gelände hergestellt. Diese repräsentiert weitläufig sichtbar der frühere Wasser- und Speicherturm des Tucher-Areals, der erhalten werden konnte, und nun einen Teil des Wohnkomplexes darstellt. Einen weiteren Zeugen der vormaligen Arealsnutzung stellt das denkmalgeschützte Sudhaus im südlichen Quartierbereich dar, das wie der Turm aus dem Jahr 1899 stammt und einer originalgetreuen Sanierung unterzogen wurde. Während der Turm nach statischer Ertüchtigung und energetischer Sanierung nun hochwertigen Wohnraum bietet, blieb das “Alte Sudhaus” im Besitz der Brauerei. Hier wird wieder obergäriges Rotbier gebraut, wodurch die ursprüngliche Nutzung und handwerkliche Tradition an ihren innerstädtischen Standort nicht nur symbolisch zurückkehrt.

Städte im Wandel: Nürnberg, Foto: Boris Storz
Städte im Wandel: Nürnberg, Foto: Boris Storz
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Materialwahl und Konstruktion

Die Gebäude auf dem Tucher-Areal sind in Massivbauweise mit Kalksandsteinwänden hoher Rohdichte ausgeführt. Dadurch konnte ein Wandkern mit nur 17,5 cm Dicke realisiert werden. Im Gegensatz dazu hätte eine Ausführung in Beton eine Wanddicke von 20 cm erfordert. So konnte ein schlankerer Wandaufbau erreicht werden. Die Verwendung großer Steine erlaubte eine schnelle Ausführung der massiven Außenwände. Dabei kamen KS XL-Rasterelemente im Format 49,8 × 49,8 cm zum Einsatz.Sechs Elemente übereinander bilden bereits eine geschosshohe Wand, die mithilfe von Versetzgeräten einfach erstellt wurde. Das massive KS-Mauerwerk hüllt ein  Wärmedämmverbundsystem mit einer hellen Putzschicht ein. 

Ein Gestaltungselement an den Fassaden stellen partielle Klinkerflächen dar. Diese tauchen beispielsweise im Sockelbereich auf, rahmen Hauseingänge und die Durchgangsportale im Bereich der Bauwiche. Zudem bekleiden die keramischen Verblender einige Balkonbrüstungen sowie Stützen und Pergolen in den Innenhöfen. Abwechslungsreich gestaltete Balkone stellen ein weiteres individualisierendes Merkmal der Wohneinheiten dar. Außerdem wird die formale Strenge der verputzten Wandflächen durch filigrane Balkongeländer aufgelockert. Der historische Wasser- und Speicherturm erhielt ebenfalls eine Wärmedämmschicht und ist zur Wahrung der originalgetreuen Ansicht vollständig mit Klinkerriemchen bekleidet.

Städte im Wandel: Nürnberg, Foto: Boris Storz
Städte im Wandel: Nürnberg, Foto: Boris Storz
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Projektdaten

  Nordstadtgärten
Standort 90409 Nürnberg
Fertigstellung 2018
Bauherr KIB Wohnen GmbH & Co. KG
Architekten Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht
Tragwerksplaner Lang Ingenieure GmbH & Co. KG
Landschaftsarchitekten Adelheid Schönborn, Gartenarchitektin; Grünplanung Oehm & Herlan
BGF 40.700 m2
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